Forderungspapier: And the Party is over

LISA - Live Initiative Sachsen e.V.
Der Landesverband der Clubs & Musikspielstätten hat ein Forderungspapier veröffentlicht.

"Die Lage der sächsischen Clubs und Livemusikspielstätten spitzt sich weiter zu. Wie bereits im Sommer 2023 in einer Stellungnahme des Landesverbandes der Kultur- und Kreativwirtschaft Sachsen e.V. beschrieben, sehen sich sächsische Clubbetreibende auch zum Jahresanfang 2024 vor existenzbedrohende Herausforderungen gestellt: Im Zuge der Energiekrise stiegen sämtliche Betriebskosten stark an und beim Publikum sorgt die Inflation mittlerweile für einen deutlich eingeschränkten finanziellen Spielraum. Unter diesen Umständen wirken auch steigende Personalkosten durch die weitere Erhöhung des Mindestlohns brandbeschleunigend. Einige Clubs (u.a. das Leipziger Institut für Zukunft und das Dresdner objekt klein a) sprachen bereits öffentlich über ihre finanzielle Situation und blicken mit großer Sorge ins neue Jahr – der MDR berichtete.[1][2] Die Betriebs- und Personalkosten können oftmals, wenn überhaupt, nur mit Müh und Not gedeckt werden. Dies betrifft Clubs und Livemusikspielstätten in sächsischen Städten, aber auch auf dem Land und vor allem bundesweit.[3][4]

Vor diesem Hintergrund sorgte die Meldung über finanzielle Unterstützung sächsischer Theater und Orchester durch die Landesregierung für Aufregung in der Club- und Live-Szene. Vor allem aufgrund gestiegener Personalkosten gerieten auch viele Theater und Orchester in Finanznot. Die sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch hob die Einrichtungen als wichtige Orte der Begegnung hervor und rechtfertigte so die Beteiligung des Ministeriums in den Jahren 2023 und 2024 mit 50 Prozent an den zusätzlichen Finanzierungsbedarfen von zehn kommunalen Theatern und Orchestern zum Erhalt der individuellen Spiel- und Betriebsfähigkeit.[5]

Erst Mitte November 2023 verwies die Staatsministerin in einem Plenum im Landtag auch auf die wichtige Rolle der Clubs und Livemusikspielstätten im Freistaat. “Dass die Clubs zu einer lebendigen Kulturlandschaft im Freistaat gehören, ist für mich selbstverständlich”, so Frau Klepsch. Sie seien zudem ein wichtiger Faktor, wenn es um Standortattraktivität und das Anwerben gut ausgebildeter Fachkräfte gehe. Dass aber die Nöte vieler Clubs und kleineren Spielstätten nun wiederholt ungehört bleiben, wirft neuerlich Fragen auf:

Welchen Wert haben diese kulturellen Orte für die politische Entscheidungsebene? Gelten Clubs nicht auch und in ganz besonderem Maße als wichtige Orte der Begegnung und des Miteinanders? Sachsen weist die bundesweit höchste Clubdichte eines Flächenlandes auf.[6] Zahlreiche Clubs werden, auch auf Bundesebene, immer wieder für ihr exzellentes Programm ausgezeichnet.[7] Und auch viele dieser Spielstätten sind ständig prekär und akut in Not. Ist noch immer nicht durchgedrungen, unter welch schwierigen Bedingungen und mit welch unzureichender Entlohnung hier bedeutende, zeitgemäße Kultur geschaffen und gelebt wird? Aus Sicht der Betreiber:innen werden sie einmal mehr an den Rand gestellt und bekommen nicht die Anerkennung und Unterstützung, die ihre Kulturarbeit besonders in diesen gesellschaftlich und wirtschaftlich herausfordernden Zeiten verdient.

Hintergrund
Vor allem kleinere Clubs und Livemusikspielstätten schließen eine wichtige Lücke zum Erhalt der kulturellen Vielfalt, wirtschaften aber selbst im Normalbetrieb am Rande der Rentabilität, sodass kaum größere Rücklagen gebildet werden können. “Anders lässt sich ein qualitatives Programm in einem möglichst sicheren Raum zu noch bezahlbaren Preisen bei zumutbaren Arbeitsbedingungen leider nicht anbieten”, heißt es etwa von Seiten des Dresdner objekt klein a.[8] Um ein zielgruppengerechtes und diverses Kulturangebot auf Augenhöhe anbieten zu können, mussten und müssen Preise entsprechend niedrig gestaltet werden. Die erzielten Eintrittsgelder fließen weitestgehend in die Deckung der Gagen der Künstler:innen, während die Betriebs- und Personalkosten durch den Gastronomiebetrieb erwirtschaftet werden müssen. Angesichts dessen konnten nur die wenigsten Clubs finanzielle Rücklagen bilden. “Viele Musikspielstätten dürften in Anbetracht von durchschnittlichen monatlichen Gewinnen unter 1.000 Euro eher als kostendeckende Betriebe bezeichnet werden”, heißt es in der Clubstudie der Initiative Musik aus dem Jahr 2021. Die in der Studie untersuchten Musikspielstätten weisen eine durchschnittliche Umsatzrentabilität von 4,2 Prozent auf (Median: 3,1 Prozent).[6] Im Vergleich zu mittelständischen Unternehmen in Deutschland fällt auf, dass Musikspielstätten klar unter dem bundesweiten Durchschnitt von 7,5 Prozent liegen.

Vor Corona waren Clubs und Livemusikspielstätten größtenteils wirtschaftlich unabhängig und konnten relativ frei agieren. Mit Beginn der Pandemie mussten Clubs und Livemusikspielstätten als erstes schließen und waren die letzten, die ihre Türen wieder öffnen konnten. Die geringen finanziellen Rücklagen waren in der Zeit der Schließung schnell aufgebraucht. Nur mit Hilfe von Kurzarbeit, Entlassungen und Fördermitteln aus dem Bundesprogramm Neustart Kultur konnten die meisten Clubs und Livemusik- spielstätten diese Zeit überhaupt überleben. Rückzahlungsforderungen von Corona-Hilfen bereiten der Szene zusätzlich Sorgen. Das Leipziger Institut für Zukunft beispielsweise berichtet auf seiner Homepage, dass Rückzahlungen von 50.000 Euro den Club vor große Schwierigkeiten stellen.[9]

Was jetzt passieren muss

Die sächsischen Clubs und Livemusikspielstätten brauchen dringend finanzielle Unterstützung. Die ohnehin geringen Einnahmen können bei den gestiegenen Kosten oft nicht mehr Schritt halten. Größere Schwankungen im Publikumsaufkommen lassen sich kaum kompensieren. 
Um die Bedarfe direkt kommunizieren zu können, benötigt es zeitnah einen Dialog zwischen Vertreter:innen der sächsischen Club- und Livemusikkultur und  den folgenden Ministerien, welche Interesse daran haben sollten, einem Clubsterben entgegenzuwirken: 

  • Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus
  • Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
  • Sächsisches Staatsministerium für Regionalentwicklung
  • Sächsische Staatskanzlei

Zudem möchten wir die Forderungen des Landesverbands für Kultur- und Kreativwirtschaft Sachsen e.V.[10] unterstreichen, in länderspezifischen Ressortabstimmungen auch im Sinne der sächsischen Club- und Livemusikkultur zu entscheiden[11] sowie die Live Initiative Sachsen mit langfristiger Prozessförderung zu unterstützen.

Der LISA e.V. hat während der Pandemie viel erreicht, muss seine Arbeit jedoch dringend verstetigen, um die Bedarfe der sächsischen Spielstätten wirksam vertreten zu können. Sachsen braucht eine solche Anlaufstelle, um neben Vernetzung auch Beratung für Clubbetreibende anzubieten und Erfahrungen in puncto Krisenbewältigung und Resilienz-Steigerung sammeln und teilen zu können. Die bisherigen Strukturen, wie Kreatives Sachsen und Pop Impuls als Projekte des Landesverbandes Kultur- und Kreativwirtschfat, leisten dies bereits teilweise. Aufgrund der Projektgröße und der Verantwortung für mehrere Teilmärkte sind ihre Ressourcen jedoch beschränkt.

Insofern unterstützen wir ausdrücklich die derzeitigen Bestrebungen des Landesverbandes für Kultur- und Kreativwirtschaft Sachsen e.V., eine zentrale Anlaufstelle für die sächsische Musik- und Popkultur zu etablieren. Eine Musikzentrale in Sachsen könnte so mit zusätzlich geförderten Projektinhalt zukünftig und in enger Zusammenarbeit mit uns, dem LISA e.V., dezidierte Projekte zur Unterstützung der Clubkultur, als einen Teil der Popkultur, umsetzen und so die Resilienz der sächsischen Clubs und Livemusikspielstätten im Sinne des Kulturerhalts und der Kulturvielfalt aktiv steigern.
 
Wir fordern ein Soforthilfe-Programm 2024 für Clubs und Livemusikspielstätten in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, das ihnen die Zeit verschafft, Publikumsrück- und Neugewinnung voranzutreiben, Einnahmen zu diversifizieren und Betriebsabläufe zu optimieren, um Kosten einsparen zu können.   

Wir fordern ab 2025 die zusätzliche Förderung zum schon jetzt konzipierten Inhalt der Musikzentrale Sachsen für die Sparte Clubkultur, um die beschriebenen Herausforderungen langfristig zu beheben und einen Nährboden für zukünftige Entwicklungen bilden zu können. 

Wir fordern die erklärte Unterstützung der im Bundesrat an der Entscheidung über die Novellierung von Baunutzungsverordnung (BauNVO)[12] und TA Lärm[13] beteiligten Ministerien im Sinne der Anerkennung von Clubs als kulturelle Einrichtungen. "

LISA - Live Initiative Sachsen e.V.
geschrieben von pierre ed, am 11. Januar 2024
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