Im Gespräch mit Black Sea Dahu

Black Sea Dahu
Deine Musik wird oft als melancholisch und gleichzeitig hoffnungsvoll beschrieben. Wie würdest du selbst deinen Sound charakterisieren?
Indie Folk, Singer-Songwriter – mit Wurzeln im Folk. Ich finde melancholisch und gleichzeitig hoffnungsvoll ziemlich passend eigentlich. Vermutlich hat mein klassischer Background auch noch damit zu tun, wie meine Musik heute klingt – die Akustik, die Komplexität im Songwriting, die orchestralen Arrangements, die manchmal eher wie ein kleines Ensemble klingen als eine klassische Popband. Nur so ein Gedanke.

Gibt es einen Song von dir, der für dich eine besondere emotionale Bedeutung hat – und warum?
Mindpower. Der erste Teil des Songs ist schwer, dunkel, fast aggressiv. Es steckt viel Wut und Ohnmacht drin. Der zweite Teil ist dann wie eine Befreiung – ein wilder Ritt in die Höhe, ein Aufatmen.

Ich schrieb den Song in einer sehr turbulenten Zeit, innerhalb von zwei Abenden im Proberaum. Ich wohnte dort zu der Zeit, und innerlich war ich voller Angst, voller Schmerz – über zerbrochene Beziehungen, über den Zustand der Welt, über unseren Umgang mit Tieren. Ich hatte damals Panikattacken, war deprimiert, und trug ein fast vergessenes Trauma mit mir herum: Ich wäre fast im Meer ertrunken, als beim Surfen meine Leash riss und ich unter die Wellen kam.
Angst fühlt sich für mich oft an wie ein Schraubstock, der mir die Luft nimmt, mich unbeweglich macht. Mein Sozialverhalten leidet darunter massiv.

Im Nachbarraum unseres damaligen Proberaums stand ein alter Flügel, den ich manchmal spielte. Das Piano-Pattern, das sich durch den Song zieht, spiegelt genau dieses Aufgewühlte, dieses Wirbelnde. Es braucht Willenskraft, sich nicht vom Schmerz auffressen zu lassen.
Das Stück ist wie Filmmusik – das liebe ich daran.

Wie hat sich dein Songwriting über die Jahre verändert?
Ich glaube, es ist komplexer geworden – und vielleicht auch ein bisschen anspruchsvoller. Ich würde gerne sagen, ich sei minimalistischer geworden und hätte gelernt, dass weniger manchmal mehr ist… aber ich bin mir da ehrlich gesagt nicht so sicher ob das wirklich stimmt :) Ich liebe immer noch die Gitarre als Hauptbegleitinstrument zu meiner Stimme, das ist geblieben.

Welche Künstler:innen oder Genres haben dich besonders geprägt?
Meine Mitmusiker*innen auf jeden Fall. Und dann natürlich Ben Howard, Tschaikowsky, Saint-Saëns, Blake Mills, Adrianne Lenker, Lucy Rose, Gavin Gardiner (Moonriivr) und viele weitere...
In meiner Jugend habe ich aber auch extrem viel Hip-Hop gehört – ich habe damals Breakdance getanzt, das war mein täglich Brot.

Gibt es Bücher, Filme oder Kunstwerke, die dich beim Schreiben beeinflussen?
Am meisten wohl Bücher. Vor allem Sprache fasziniert mich. Ich liebe Autor*innen, die mit Bildern, Metaphern und Vergleichen arbeiten – das hat auch etwas von Rap. Wenn ich feministische oder gesellschaftskritische Bücher lese, lerne ich so viel über mich selbst – und das führt dann oft zu introspektiven Texten, zu neuen Songs.

Was sind die größten Herausforderungen, denen du als unabhängige Künstlerin begegnest?
Ganz klar: fehlende finanzielle Mittel. Dann der ständige Wandel in der Industrie – ständig neue Plattformen, neue Tools fürs Musikmarketing, neue Ansprüche. Und dazu diese To-do-Liste, die nie kürzer wird. Ich würde vieles gerne outsourcen, aber es fehlt oft einfach das Budget.

Wie gehst du mit dem Druck der Musikindustrie oder mit Erwartungen von außen um?
Mit konstanter knallharter Planung, mit Hilfe von außen, mit einer Portion Gleichgültigkeit – und vor allem: mit dem Loslassen. Ich lerne gerade, mit Unvollständigkeit leben zu können. Ich kann nicht alles schaffen, und das ist okay. Ich versuche, bei mir zu bleiben und regelmäßig zu verlangsamen.

Hast du Rituale oder Routinen, um kreativ zu bleiben – gerade auf Tour oder in stressigen Phasen?
Keine festen Rituale, aber wenn ich Zeit finde, spazieren zu gehen oder einfach draußen in der Natur zu sein, dann kann ich mich selber wieder hören. Ich glaube, es braucht bei mir manchmal auch äußere Impulse – Natur, Bücher, Sprache, Erlebnisse – um das innere Feuer wieder zu entzünden.

Wie fühlt es sich an, deine oft sehr intimen Songs vor einem großen Publikum zu singen?
Es fühlt sich an, als würde ich mich zeigen – wirklich zeigen. Und das ist für mich ein großer Vertrauensbeweis mir selbst gegenüber. Es ist wie eine Liebeserklärung an mich: Ich muss mich nicht schämen. Ich muss mich nicht verstecken.

Wie verändert sich ein Song für dich, wenn du ihn live spielst im Vergleich zur Studioaufnahme?
Live klingt er fast nie wie im Studio – viele Details gehen verloren, gerade bei unserer Musik, die so detailreich arrangiert ist. Aber dafür verändert sich der Song, er hat ein Eigenleben, nimmt neue Formen an. Manchmal wird er zur ganz neuen Kreatur. Deshalb war ich auch so froh, dass wir letztes Jahr ein Live-Album veröffentlichen konnten – um genau diese Versionen festzuhalten.

Wenn du deinem jüngeren Ich einen Rat geben könntest, welcher wäre das?
Lies antirassistische und feministische Bücher. Und: halte zu dir selbst und steh für dich ein.
Und: Lern die Körpersprache von Hunden :) (ich liiiiiebe Hunde)

Gerüchten zufolge hast du an dem Tag Geburtstag – was wäre dein Wunsch ans Publikum?
Applaudiert, was das Zeug hält – und ruhig drei Sekunden länger, als ihr denkt! Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das mit uns Musiker*innen auf der Bühne macht.
Und: Kommt zahlreich. Es ist eine lange Reise nach Dresden, und dass ich an meinem Geburtstag Musik mit euch teilen darf, ist das größte Geschenk. Wir wissen alle nicht, wie lange wir hier sind – ich will es bewusst erleben. Euch sehen, hören, spüren. Mit euch Musik erleben.

Links
Infos zum Konzert am 18.07.2025
Black Sea Dahu Spotify
Black Sea Dahu Instagram
Black Sea Dahu TikTok
Black Sea Dahu Facebook
geschrieben von pierre ed, am 20. Juni 2025
Scroll Top