17:3018:00
04. Okt
( Literatur )
Was Weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen
Alice Hasters ist eine Schwarze Frau mit einem weißen Elternteil, sie hat zwei ältere Schwestern und wurde 1989 in Köln geboren. Sie wird sehr oft für ihr gutes Deutsch gelobt, ihr Haar wird ungefragt angefasst, und ihr Körper rückt immer wieder in den Fokus, wenn es um sexuelle Merkmale Schwarzer Frauen geht. »Aber wo kommst du wirklich her?«, »Kannst du überhaupt Sonnenbrand bekommen?«: Jede Frage, die auf ihre „wirkliche“ Herkunft zielt, lässt Alice Hasters Ausgrenzung spüren. Jeder verunsicherte, misstrauische Blick, den sie in der Öffentlichkeit auffängt, entmenschlicht sie. Anhand persönlicher Erfahrungen spiegelt Hasters die vielfältigen Lebenssituationen, in denen Black and Indigenous People of Color Diskriminierung täglich erleben. Ihr Buch ist eine Aufforderung an weiße Menschen sich ihrer unreflektierten Gedanken, Äußerungen und Verhaltensweisen gegenüber BIPOC bewusst zu werden – denn selbst freundlich gemeinte Kommentare offenbaren tiefsitzenden Rassismus. Wenn weiße Menschen verstehen lernen, was jene Sätze beim Gegenüber auslösen, haben wir endlich eine Grundlage über Rassismus zu sprechen. Erst dann begreifen wir, dass es nicht um Sprachregelungen oder Verbote geht, sondern um respektvollen Umgang in einer vielfältigen Gesellschaft. Rassismus ist nicht nur der Skinhead mit Springerstiefeln, Rassismus lauert verborgen in jedem Menschen – es wird Zeit, dass wir darüber sprechen.  

Im Netz hat der Hashtag #MeTwo Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, eine Stimme gegeben. Die Resonanz war gewaltig, viele waren schockiert, erstaunt, fühlten sich ertappt. Diese Tweets schafften erstmals ein breitenwirksames Bewusstsein für Rassismus, der im Kleinen, im Alltäglichen stattfindet – und doch mit dem Großen, der politischen Dimension zusammenhängt.  Mückenstiche oder Mikroaggressionen, so nennt Alice Hasters ihre persönlichen Erlebnisse mit Alltagsrassismus: kaum sichtbar, im Einzelfall auszuhalten, aber in der Summe unerträglich. Indem sie Situationen exemplarisch schildert, eröffnet sie den Leser*innen ihre Perspektive, nämlich die einer Schwarzen Frau, die in Deutschland geboren wurde, aber immer wieder für ihr gutes Deutsch gelobt wird. Ein blöder Witz, ein heimlicher Gedanke, ein unüberlegtes Vorurteil – wir alle sind rassistisch. Unsere Welt ist so geprägt: Unsere Geschichtsbücher, unsere Kinderbücher, die Filme, die wir schauen, und wie wir sprechen. Wir lernen so früh uns nach Herkunft und Hautfarbe zu unterscheiden, dass wir es gar nicht merken. Weiße Menschen haben das Privileg, dies ihr ganzes Leben lang ignorieren zu können. Wie aber findet man zu sich, wenn man nicht weiß ist? Wie versteht man sich selbst in einer Welt, in der man ständig hinterfragt wird? Alice Hasters Buch ist ein eindringlicher und persönlicher Bericht, der Alltagsrassismus in allen Lebensbereichen spiegelt: ob Schule, Freundschaften, Körper, Liebe oder Familie.  

Über die Autorin:
Alice Hasters wurde 1989 in Köln geboren und wenn sie gefragt wird, wo sie herkommt, dann sagt sie, woher ihre Eltern kommen. Sie studierte Journalismus in München, arbeitete für die Tagesschau in Hamburg, lebt aktuell in Berlin und produziert Beiträge für Deutschlandfunk Nova, süddeutsche.de, tagesspiegel.de und den rbb. Mit Maxi Häcke spricht sie im monatlichen Podcast Feuer & Brot über Feminismus und Popkultur
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