19:3020:00
28. Nov
( Theater )
Freiheit, Aufbruch, Crash?
  • Julia Gonchar
    Katarína Marková
    Milo Juráni
  • VVK 22,-
In 30-minütigen Kurzstücken geben am 28. & 29. November Panna Adorjáni (Rumänien), Julia Gonchar (Ukraine), Katarína Marková & Milo Juráni (Slowakei) sowie die Gruppe HAVEIT (Kosovo) künstlerische Antworten auf eine Zeit, die oft mit Schlagworten wie Freiheit und Aufbruch beschrieben wird und gleichzeitig mit enttäuschten Erwartungen verbunden ist. Die in den 90er Jahren geborenen Künstler*innen widmen sich u.a. den Fragen, welche Stimmung ihre Generation mit den 90ern verbindet und welche politischen Entscheidungen sie heute noch spüren können.

„Mädchen und Bullterrier“ zeigt die Ukraine der 1990er zwischen neuer Freiheit und institutioneller Leere. Live-Elektronik und Teppich-Mapping treffen auf analog verkörperte Geschichten mit Plastilin, Zeichnungen und Pogs; TV-Formate jener Zeit – Telefonlotterie, Hypnose, Teletext – rahmen den Aufbruch der Kunstszene und digitaler Welt. Die Bühne prüft, wie Körper Grenzen lernen und ob sich damalige Träume heute materialisieren lassen.

Umrahmt von frischer Unabhängigkeit und dem Schatten der nuklearen Abrüstung entfalten sich zwei Lebenswege aus der Ukraine der 1990er Jahre inmitten von Basaren und Kiosken. Freundliche Bullterrier führen Mädchen auf Waldwegen zur Schule. Rapunzel schneidet den Turm der Gehorsamkeit ab und erobert die Bühne: Sie schreibt ihren eigenen Vertrag. Eine Kriegerin, geprägt von Ballett, rotem Kaviar und blauen Flecken, bleibt während des Krieges, engagiert sich ehrenamtlich und unterrichtet Teenager im Tanzen. Auf der Bühne kreuzen sich ihre Wege und sie öffnen ein Tor zu ihrer eigenen Welt, in der Körper Grenzen lernen und eine Stimme zum Gesetz wird. Im Scheinwerferlicht kontrollieren Gerüchte und Ängste den Körper; wir durchtrennen diese Fesseln.

Do It!, Maduar, 1994
Die Slowakei in den „großartigen“ Neunzigern. Ein Grenzbereich zwischen einer dunklen Vergangenheit und dem Versprechen einer strahlenden Zukunft. Ein Land von Vladimír Mečiar, Nationalismus, kapitalistischen Träumen vom Fortschritt, Mafia und ohne Grenzen. Diese Neunzigerjahre repräsentieren die Zeit, die unsere Kindheit geprägt hat, die Zeit, die die Kindheit eines jungen Landes geprägt hat. Innerhalb unklarer Normen, Regeln und Gesetze scheint alles möglich. Die naive Slowakei träumt davon, wie die Schweiz zu sein, und ihre Bevölkerung hat ihre eigenen Träume – Träume von Reichtum, Wohlstand, Sicherheit, demokratischen Werten und Zusammengehörigkeit. „Do It Do It“, singt Maduar. „Whatcha Wanna Do It, Just Do It…“ Das ist der Klang der Freiheit. Es scheint, als biete die neue Realität unendliche Möglichkeiten. Aber... vielleicht... was wäre, wenn... alles nur eine kollektive Illusion wäre?

Ist es möglich, die Realität hinter der Illusion zu erfassen? So viele Fäden liegen auf dieser Reise vor uns. Angenommen, Erinnern ist eine spirituelle Aktivität. Es ruft immer alle Geister herbei, auch diejenigen, die uns nicht verlassen wollen. Sie spuken immer noch dort herum. Leicht zu erkennen, aber schwer zu verstehen, welche Bedeutung sie für die Gegenwart haben. Sie vermischen sich. Was, wenn das, was damals war, auch heute noch präsent ist?

Die Performance zielt darauf ab, die Komplexität der Ereignisse, Gefühle und die Relativität der Realität wiederzubeleben, die für die Transformationsära in der Slowakei von Bedeutung sind. Wir bewegen uns zwischen Archiven, um eine performative Sammlung zu schaffen, die auf historischen Ereignissen, gewöhnlichen Erinnerungen, voreingenommener Berichterstattung und Fantasien basiert. Versuche, sich an Zeiten zu erinnern, die von Euphorie über die neue Demokratie, seltsamen Regeln, Fake News und Medienpropaganda geprägt waren, werden mit der Gegenwart konfrontiert. Wie kann diese Geschichte weitergehen?
3… 2… 1… Ihr täglicher Digest aus dem fantastischen Spielplatz beginnt jetzt…  

Julia Gonchar, geboren in Kiew, arbeitet als Dramaturgin und im internationalen Projektmanagement. Nach ihrem Studium in International Business und Management war sie an diversen Theaterprojekten in Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit beteiligt. Seit 2012 ist sie Teil der jungen ukrainischen Drama-Aktivist*innenszene. 2015 assistierte sie bei „Die Kinder des Musa Dagh“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Zu ihren jüngsten Projekten zählen „Homeless Souls“, „Maps of Fear / Maps of Identity“ und „End of Imitation“.

Milo Jurani ist Dramaturg, Kurator für darstellende Künste und Theatertheoretiker, der sich auf Ökologie, performative Praktiken und künstlerische Forschungsstrategien unter verschiedenen Bedingungen konzentriert. In den letzten Jahren war er Teil des HaDivadlo-Teams und ist derzeit Mitglied des Theaterwissenschaftsprogramms an der Masaryk-Universität in Brünn. Seine Arbeit befasst sich mit Dramaturgie, Ökodramaturgie, ortsspezifischen Performances sowie der Rolle zeitgenössischer Performances im Kontext des Anthropozäns – in Theorie und Praxis.

Katarína Marková ist eine interdisziplinäre Künstlerin und Mitbegründerin der Künstler*innengruppe MFK Bochum, die im Freien arbeitet und eine „DIY-Strategie“ sowie das Lustprinzip in den Mittelpunkt stellt. In ihrer künstlerischen Praxis beschäftigt sie sich mit militärischen Infrastrukturen und bildet gemeinsam mit Caroline Kapp den „Tactical Body“. Sie absolvierte ihren Master in Scenic Research an der Ruhr-Universität Bochum und ist dort Teil der Forschungsgruppe „Infrastruktur: Ästhetik und Versorgung“. Marková lebt zwischen der Slowakei, der Tschechischen Republik und Nordrhein-Westfalen.
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