19:00
17. Nov
( Literatur )
Kunsttage
  • Nils Schumacher
  • Lesung
  • 4,11
"Blinklichter" - so lautet nicht nur der Titel der Lesung anlässlich der Kunsttage 2021 in Dresden, sondern auch der neue Gedichtband von Nils Schumacher. Anhand von vierzig Gedichten und Prosagedichten analysiert und karikiert Schumacher die aktuelle gesellschaftliche Lage und präsentiert Untersuchungsergebnisse aus dem Schattenreich zwischen Sinn und Bedeutung. Anhand assoziativer Montagen aus Gedankensprüngen und Paradoxien stellt er unter Beweis, dass die Vehemenz des Möglichen die Tatsächlichkeit des Dargebotenen bei Weitem übersteigt und dass Lyrik sprachwissenschaftlichen Problemen auf den Grund gehen kann, ohne dabei an Bildkraft einzubüßen. Da ist von gurgelnden Tauben die Rede, vom Buchfink als Psycho-Orgel und abgefahrener Mischbereifung mit Buttercremetorte, von Menschen, die am Spielautomat oder im Eros-Center plötzlich von Erinnerungsattacken geplagt werden, von Situationen, in denen der Konjunktiv zum Freund wird und von einer Deutschlandreise, die fast genau dort endet, wo sie angefangen hat. Aber nur fast. Wäre da nicht die Frage: wie komme ich jetzt nach Düsseldorf?

Der Wahl-Hannoveraner ist den wechselseitigen Irrnissen und Wirrnissen von Sprache und Gegenwart auf der Spur, eine Gegenwart, die ihm als Sprachraum seines Wirklichkeitsdenkens ständig zu entgleiten droht. Doch durch das Zusammenspiel von lakonischem Sarkasmus, empirisch erworbener Skepsis, analytischem Realismus, detaillierten Soziotopbeschreibungen und einer zum Teil irritierenden Sprache, setzt er sich stets selbst in Relation zum Ist-Zustand und bleibt dadurch in Tuchfühlung mit den real existenten Verhältnissen. So entstehen im Prozess des Schreibens Spannungsfelder, in denen Zusammenhänge und Sichtweisen fortlaufend in Frage gestellt und bereits Gedachtes im Text als Text einer erneuten Prüfung unterzogen werden. Denn in der Gegenwart von Sprache, sozusagen im Schatten, den diese auf sie wirft, bleibt die Gegenwart für Schumacher stets wandelbar und gegenwärtig und ist für seine lyrische Feldforschung unerlässlich.

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