Hey Sie! Ja, genau sie! Sie sehen gut aus. Gut genug, um sich mein neues Bühnenprogramm anzuschauen. Eigentlich sogar noch besser.
Wow! Wirklich hätte ich nicht für möglich gehalten, dass es Leute wie Sie noch gibt. Sie sind die erste Person seit Langem, bei der ich mir das Du vorstellen könnte. Mmmh, es überkommt mich ein Schauder. Jetzt, wo wir uns näher gekommen sind, verrat ich Ihnen was: Sie haben was zwischen den Zähnen. Könnte Spinat sein. Was Gesundes. Klar. Sie achten auf sich. Find ich toll. Ich habe wirklich gerade ungemein große Lust, mich mit Ihnen einen ganzen Nachmittag lang zu unterhalten. Die Seele baumeln zu lassen.
Oder wir machen das abends. Nach meinem Programm. Ich erzähle ein bisschen was, dann singe ich noch was und dann quatschen wir zwei mal so richtig schön. Oder Sie bringen noch jemanden mit. Oder mehrere. Falls Ihnen das mit mir allein zu schnell geht. Fände ich auch ok. Sie haben sicher auch tolle Freunde. Na los, geben Sie sich nen Ruck. Alles andere würde auch gar nicht zu Ihnen passen.
Liebesgeschichten folgen seit Jahrhunderten einem Skript, das ungefähr gleich abläuft: Verliebt, verlobt, verheiratet – oder moderner: daten, crushen, verlieben, zusammenziehen, Kinder kriegen, Familie werden. Doch das intime Zusammenleben in Deutschland sieht mittlerweile anders aus: Seit Jahrzehnten sinkt die Anzahl an Heiratswilligen, zugleich steigt die Scheidungsrate, Ein-Personen-Haushalte nehmen stetig zu und alleinerziehende Mütter und Väter stemmen ihren Alltag mit Kindern. Senior*innen leben allein und vereinsamen. Gleichzeitig gibt es immer mehr Datingportale – und dort tummeln sich Menschen mit den unterschiedlichsten Zielen.
Gemeinsam mit der Autorin Andrea Newerla stellen wir uns die Frage, warum die romantische Zweierbeziehung bis heute der Garant für unser Bedürfnis nach Nähe und Liebe zu sein scheint. Wir spüren den Entstehungsbedingungen vorherrschender Beziehungsbilder nach und fragen, warum es so schwer ist, sich ihrer zu entledigen. Welche Auswirkungen haben Dating-Apps auf unsere Beziehungen und unser Verständnis von Intimität? Welche Ungewissheiten ergeben sich daraus und welche Möglichkeiten des sozialen Miteinanders entstehen für Freund*innenschaften, Ethics of Care und Wahlfamilien?
In ihrem Buch „Das Ende des Romantikdiktats“ beschäftigt sich Andrea Newerla mit Phänomenen, wie den immer häufiger anzutreffenden polyamoren Beziehungen und der steigenden Zahl sogenannter Single-Haushalte und neuen Beziehungsformen. Newerla ist promovierte Soziologin und forschte zuletzt als Senior Scientist an der Paris Lodron Universität Salzburg zu Intimitäten, Onlinedating und Beziehungsmustern jenseits heteronormativer Standards. Ihre Forschungserkenntnisse dienen als Ausgangsfragen einer neuen Perspektive auf intime Beziehungen und bieten die Grundlage der Betrachtung sich wandelnder gesellschaftlicher Verbindlichkeiten für ihr Buch.